Es gibt im Leben eines Menschen viele Erlebnisse, die den weiteren Verlauf in irgendeiner Weise mehr oder weniger stark beeinflussen. Es gibt jedoch einige solche Ereignisse, deren Wirkung so nachhaltig ist, dass sie mit Fug und Recht als Schlüsselerlebnis bezeichnet werden können.
Die Anfänge 🔗
Ein solches Erlebnis, das mein Leben ganz definitiv nachhaltig beeinflusste, hatte ich im Herbst 1995. Da fand im Berufsförderungswerk Hamburg-Farmsen eine kleine Ausstellung blindentechnischer Hilfsmittel statt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt gerade mein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Wedel aufgenommen und brauchte ein Notebook mit Braillezeile. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt schon einige Ausstellungen und in Hamburg ansässige Vertretungen von Hilfsmittelfirmen abgeklappert, aber bis dahin nichts gefunden, von dem ich wirklich überzeugt gewesen war. Entweder gab es gar keine mobile Lösung, oder die angebotenen Systeme waren so unhandlich, dass sie für mich, der ich täglich eine Stunde S-Bahn vom Wohn- zum Studienort und zurückfahren musste, einfach - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht tragbar waren.
Ich hatte davon gehört, dass die Fa. Help Tech, die damals noch Handy Tech Elektronik GmbH hieß, auf dieser Ausstellung anwesend sein würde. Handy Tech war gerade ein Jahr zuvor aus der Blista-EHG hervorgegangen. Außerdem hatte die Firma in Hamburg keine Vertretung, sodass ich deren Produkte noch nicht hatte ausprobieren können. Laut Ankündigung würden die neuartigen Braillezeilen zusammen mit einer ersten Version des Screen Readers JAWS für Windows gezeigt. Beides machte mich sehr neugierig.
Ich kam im BFW an und fand den Ausstellungsraum auf Anhieb. Ein Mitarbeiter des BFWs zeigte mir den Tisch, an dem Handy Tech eine Braillezeile an einem Desktop-Computer aufgebaut hatte. Der Handy-Tech-Vertreter war gerade im Gespräch mit einem anderen Interessenten. Ich setzte mich einfach vor die Zeile und fing an zu ertasten, was da denn so vor mir stand.
Und was soll ich sagen? Es war sozusagen Liebe auf den ersten Griff! Die Braillezeile, die da vor mir stand, war eine "Braille Window Modular 84". Sie hatte im Gegensatz zu allen anderen Zeilen, die ich bisher angeschaut hatte, keine flachen, sondern geschwungene Module. Diese schmiegten sich sehr sanft an meine Fingerkuppen an. Die Hand verfiel automatisch in eine leicht gekrümmte Haltung, ähnlich wie sie für Pianisten ideal ist, um entspannt spielen zu können. Die Punkte waren angenehm rund, und die Finger glitten in dieser natürlichen Handhaltung wie selbstverständlich über die angezeigten Informationen hinweg.
Die auf die Zeile montierte Tastatur hatte auf den gängigen Tasten deutlich fühlbare Punkte, sodass auch hier die Orientierung überhaupt nicht schwerfiel. Der PC befand sich gerade im Programm MS Word in einem Dokument, in das jemand das obligatorische "Dies ist ein Test" geschrieben hatte. Ich begann, etwas dazu zu schreiben, öffnete dann die Menüleiste mit der Alt-Taste, wanderte mit Alt-Tab danach durch andere Anwendungen und den Programm-Manager von Windows 3.11. Erstaunt stellte ich fest, dass ich die ganze Zeit einfach nur Windows bediente und die Braillezeile mir immer den aktuellen Standort anzeigte. Ich musste nicht erst umständlich komplizierte Tastenkombinationen erlernen. Im Gegensatz zu vielen anderen damaligen Screen-Reader-Experimenten verfolgte JAWS nämlich von Anfang an die Philosophie, dem Anwender nicht im Weg zu stehen, sondern im Gegenteil die Bedienung von Windows und seinen Programmen in den Vordergrund zu stellen.
In diesem Moment wusste ich, dass ich genau dieses System für mein Studium haben wollte. Der Handy-Tech-Mitarbeiter hatte inzwischen sein Gespräch beendet und wandte sich mir zu. Er war selbst blind, was mich schon mal freute. Das hieß nämlich, dass er mir vermutlich einige tiefer gehende Fragen beantworten können würde, bei denen die meist sehenden Vertreter anderer Firmen fast ausnahmslos lange Gesichter bekommen hatten.
Das Gespräch verlief in der Tat sehr konstruktiv, informativ und erhellend. Wir diskutierten meine Anforderungen, er nahm meine Daten auf, und ich bekam ein Angebot. Ich brauchte allerdings zu dem Zeitpunkt eher die mobile Variante des Systems, also die kleine Schwesterzeile "Modular 44". Diese konnte ich mit einer Hilfskonstruktion derart mit einem passenden Notebook verbinden, dass diese eine stabile Einheit bildeten. Genauso leicht ließ sich das Notebook aber auch wieder abdocken und die Tastatur und der zugehörige Ziffernblock anklemmen. Schon konnte ich die Zeile bequem am großen PC zu Hause nutzen.
Rechtzeitig zum 2. Semester Anfang 1996 hatte ich die Behördengänge gemeistert und das System nebst meiner ersten JAWS-version erhalten. Einige Wochen später programmierte ich meine erste Windows-Anwendung mit Borland Delphi. Ich berichtete im Henter-Joyce-Forum auf Compuserve über meine Erfahrungen und wie es mir gelang, die Entwicklungsumgebung selbst mit Konfigurationen und JAWS-Macros angepasst und zugänglicher gemacht zu haben.
Im Juli erhielt ich überraschend dann einen Anruf, dass man mich gern zu einem Workshop in den Schwarzwald einladen würde. Dieser wurde von Handy Tech und dem europäischen Importeur von JAWS gemeinsam ausgerichtet. Bei diesem übernahm ich spontan die Anleitung der Macro-Anfänger-Gruppe, weil ich da schon einer derjenigen mit einschlägiger Macro-Programmiererfahrung war. Im August fing ich parallel zu meinem Studium die Arbeit als Übersetzer für JAWS an. Zusammen mit einem anderen Kollegen übersetzte ich die Benutzeroberfläche, Macros und Hilfe ins Deutsche. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Man kann also sagen, dass der Kontakt mit Handy Tech mir nicht nur meine erste eigene Braillezeile bescherte, sondern auch meinen ersten Job. Bei dem Hersteller von JAWS arbeitete ich dann durchgehend bis 2007.
Der Buchwurm - Ein Begleiter auf vielen langen Zugfahrten und Flügen 🔗
Durch meine Arbeit bei dem JAWS-Importeur kam ich 1997 auch zu meinem Ersten Besuch auf der Messe Reha (später RehaCare) in Düsseldorf. Für diese hatte Handy Tech eine Weltneuheit angekündigt: Ein Braille-Lesegerät für die Hosen- oder Westentasche. Sehr neugierig geworden, fuhr ich also nach Düsseldorf und erlebte eine echte Überraschung.
Als Sigi Kipke, der Geschäftsführer, mir den Buchwurm das erste Mal zeigte, war es wie eine Offenbarung. Der Buchwurm war ein handspannenbreites Kästchen mit acht genau solchen konkaven Braillemodulen, die ich auf meiner Zeile so sehr schätzen gelernt hatte. Rechts und links waren jeweils Tasten zum Weiter- und Zurückblättern eingelassen, und oberhalb befanden sich eine Escape- und eine Enter-Taste. Die Module wurden durch einen verschiebbaren Deckel geschützt. Dessen Zurückschieben schaltete das akkubetriebene Gerät gleichzeitig ein. Das Gehäuse schmiegte sich geradezu in die Hand, mit deren Zeigefinger man die Blindenschrift las. Man konnte mit der anderen Hand weiter- oder zurückblättern oder das Weiterblättern der Automatik überlassen, die in die Software eingearbeitet war und die man ziemlich gut an seine Lesegeschwindigkeit anpassen konnte.
Die Daten erhielt der Buchwurm von einer DOS-Software mit Namen BWCom. Diese bekam später in der noch heute zu den Handy-Tech-Systemen gehörenden Windows-Version HTCom ihren Nachfolger. Die Software wandelte TXT- oder HTML-Dateien um und übersetzte sie auf Wunsch auch gleich in Kurzschrift. Die Texte hatten nicht nur Absätze, sondern auch eine Überschriftenstruktur. Der Buchwurm hatte tatsächlich eine mehrstufige Überschriftennavigation und machte so das Blättern selbst in großen Dateien kinderleicht.
Leider ging diese Überschriftennavigation in späteren Braillesystemen verloren, sodass man sich mit der Suchfunktion des Editors behelfen muss. Aber gerade diese Überschriftennavigation war ein Merkmal, das zeigte, wie sehr der Buchwurm seiner Zeit voraus war. Screen Reader bekamen die Fähigkeit, nach Überschriften auf Webseiten zu navigieren, erst zwei bis drei Jahre später. Und auch die Entwicklung des digitalen Hörbuchformats DAISY, in dem es ebenfalls Überschriftenstrukturen gibt, steckte damals noch in den Anfängen.
Viele kritisierten, dass acht Braillemodule zu wenig seien, um vernünftig und flüssig lesen zu können. Ich fand allerdings, dass die hohe Mobilität dies wieder aufwog. Ich sorgte jedenfalls durch Sparen und einen Zuschuss meiner Eltern dafür, dass ich zu meinem 25. Geburtstag im April 1998 eines der ersten marktreifen Geräte bekam. Es rettete mich in den folgenden Jahren über viele lange S-Bahn- und Zugfahrten und auch Langstreckenflüge hinweg.
Die Taz begann im Jahr 2000 als eine der ersten Zeitungen in Deutschland, digitale Abonnements anzubieten, und das nicht nur im zumeist unzugänglichen PDF-, sondern u. a. auch im HTML- und Nur-Text-Format. Die HTML-Variante war etwas zu aufgebläht, um sie leicht in den Buchwurm laden und dort lesen zu können. Also schrieb ich mir in Delphi ein kleines Programm, das die Nur-Text-Version einer Ausgabe so in ein ganz einfaches HTML-Gerüst kleidete, dass BWCom sie strukturieren und in den Buchwurm laden konnte. So konnte ich von Hauptteil zu Hauptteil auf der ersten, zwischen Ressorts auf der zweiten, und zwischen Artikeln auf der dritten Überschriftenebene navigieren. Ich nahm mir also sehr oft die tägliche Ausgabe der Taz mit auf längere Fahrten oder auf die Couch und schmökerte darin wie andere auch in der Tagespresse lesen konnten. Im laufe desselben Jahres bot auch der Spiegel seine Wochenausgabe in einem Format an, das BWCom verarbeiten und im Buchwurm zugänglich machen konnte. Auch hier war eine Navigation auf verschiedenen Überschriftenebenen möglich.
Selbst mein erster Blindenführhund Falko mochte den Buchwurm: In der gemeinsamen Eingewöhnungsphase knabberte er ihn eines morgens leicht an. Ich war duschen gegangen und hatte den Buchwurm unvorsichtigerweise auf dem Nachttisch liegen lassen. Handy Tech bauten um das Innenleben später dankenswerterweise ein neues, wieder handschmeichlerisches, Gehäuse herum.
Der Buchwurm begleitete mich noch lange Zeit, bis er vor wenigen Jahren einem ausgelaufenen Akku zum Opfer fiel, der ihn irreparabel beschädigte. Er hat heute in einem Actilino einen würdigen Nachfolger gefunden. Diesem wird im Laufe des Monats noch ein ganz eigener Artikel gewidmet werden. Die Überschriftennavigation vermisse ich allerdings immer wieder.
Weitere Entwicklungen und Produkte 🔗
Im Jahr 1999 erhielt mein, inzwischen in eine Vollzeitbeschäftigung umgewandelter, Arbeitsplatz eine Aufrüstung mit sowohl einer Braille Window Modular 84 als auch einer Notebook-Zeile mit Namen Braille Top. Diese war etwas kleiner und handlicher als die Modular 44 und begleitete mich in den nächsten Jahren auf vielen nationalen und internationalen Reisen. Sie war die einzige Zeile von Help Tech, die ich längere zeit nutzte und die keine konkaven Module hatte.
2007 wurden die Zeilen dann ersetzt und fanden bei netten Leuten ein neues Zuhause, die damit bestimmt noch ein paar Jahre ihre Freude hatten. Ich bekam sowohl eine Modular Evolution 88, die erste Zeile mit ATC-Technologie, als auch als Notebook-Zeile eine Braille Star 40. Erstere wohnt inzwischen bei einer Dame nähe Potsdam, weil ich nur noch mit Notebooks arbeite und für große Desktop-Zeilen schlicht keine Verwendung mehr habe. Die Braille Star funktioniert prinzipiell immer noch, ist inzwischen aber sehr betagt und hat altersbedingte Ausfallerscheinungen. Ich hoffe, sie bald durch eine Nachfolgerin, die Active Star, ersetzen zu können.
Aber auch abseits der Geräte, die ich selbst im Einsatz hatte, behielt ich die Entwicklung bei Handy Tech, die 2018 in Help Tech umfirmiert wurde, immer weiter im Auge. So spielte ich mehrfach bei Besuchen oder auf Messen mit dem Braillino, der ersten 20-stelligen Braillezeile von Handy Tech. Das Braillino war damals ziemlich genau auf den Nokia Communicator, eines der ersten zugänglichen Smartphones, zugeschnitten. Sie ist der Vorläufer des oben bereits erwähnten Actilino, welches ich heute als Lesegerät und für Notizen im Einsatz habe.
Auch die Braille Wave sah ich zuerst auf der Messe, auf der sie vorgestellt wurde. Sie erschien ein Jahr nach dem Buchwurm und war die erste Zeile mit integrierten intelligenten Funktionen. Dazu gehörten nicht nur ein Notizblock und Taschenrechner, sondern auch ein Terminplaner und andere nützliche Funktionen, mit denen man auch unabhängig vom Computer war. Die damals eingeführten Funktionen wurden stetig weiterentwickelt und gehören noch heute zu vielen Braille-Systemen von Help Tech.
Den Nachfolger der Braille Wave, die Active Braille, durfte ich sogar einige Wochen lang selbst testen, als noch kaum jemand wusste, dass diese erschienen war. Ich lernte hier u. a. das MusikBraille kennen. Es handelt sich hierbei um eine Funktion, auf einer Braillezeile Blindennotenschrift einzugeben und sofort zu hören, was man geschrieben hatte. Diese Funktion gibt es auch im Actilino und der Active Star.
Überhaupt sind Actilino wegen seiner Größe und die Active Braille als "große Schwester" mit die spannendsten Braille-Systeme, die Help Tech zurzeit im Angebot hat. Ein Lesen ohne ATC finde ich an einer Braillezeile inzwischen echt mühsam. ATC bedeutet, dass die Braillezeile die Position meines Fingers selbstständig erkennt. Erreicht er das letzte angezeigte Zeichen, schaltet die Zeile automatisch zum nächsten Abschnitt um. Ich bin also nicht mehr darauf festgelegt, dass ich immer nur eine genau festgelegte Zeitspanne zur Verfügung habe, um einen Ausschnitt zu erfassen. Gibt es irgendwo einen Begriff oder Eigennamen, den ich mir genauer durchlesen will oder muss, habe ich alle Zeit der Welt. Bin ich soweit, streiche ich ans Ende der Module, ATC erkennt meinen Finger, schaltet weiter, ich bewege die Hand zurück nach links und lese weiter. Auf dem Actilino kann ich so stundenlang lesen, ohne zu ermüden. Die natürliche Handhaltung, die ich oben ja schon beschrieben habe, tut ihr übriges dazu. Auf Braillezeilen mit einer automatischen Weiterschaltung würde hingegen immer nach einer festgelegten Zeitspanne ein Wechsel erfolgen, wie das auch im Buchwurm der Fall war.
Warum immer wieder Handy Tech? 🔗
Tja, dafür gibt es mehrere Gründe. Es ist ja nicht so, dass ich zwischendurch nicht auch längere Zeit mit anderen Braillezeilen zu tun gehabt hätte. Gerade die Zeilen meines damaligen Arbeitgebers wie die Focus oder PAC-Mate-Zeilen, bedeuteten, dass ich viel mit Zeilen arbeitete, die nicht von Handy Tech stammten. Daher kenne ich auch diese Zeilen aus dem Produktiveinsatz ziemlich gut. Aber wenn ich die Wahl hatte, fiel diese immer und immer wieder auf Handy-Tech-Zeilen.
Da ist zum einen die Tatsache, dass nicht nur die Zeilen echt pfiffig durchdacht sind. Zum Braille Top gehörte ein Rucksack mit allen möglichen nützlichen Fächern, der genau auf die Zeile und ein Notebook abgestimmt war. Die Tragetasche des Buchwurms enthielt ein Regen-Cape. Man konnte aus der Seitentasche einen Regenschutz so über den Rest der Tasche ziehen, dass alle Flächen vor Wasser geschützt wurden, inklusive derer, die den Buchwurm eigentlich frei ließen, wenn er in der Tasche steckte.
Die Ergonomie sucht ihresgleichen, nicht nur wegen der konkaven Module, sondern auch wegen der Anordnung der Brailletasten. Die Bedienelemente haben für meine Finger immer genau den richtigen Druckpunkt. Die Gehäuse sind außerdem einfach sehr robust, durch ihre Bauform aber sehr angenehm anzufassen. Bei den Tasten wackelt und schlackert nichts. Und die konkaven Module sind in meinem Fall sogar inzwischen ein echter Gesundheitsfaktor: Ich habe festgestellt, dass ich bei längerem Arbeiten an einer Braillezeile mit flachen Modulen beim Lesen Schmerzen in den Fingergelenken und der Handspanne bekomme. Unterlasse ich das Lesen auf solch einer Zeile und kehre zu einer mit konkaven Modulen zurück, verschwinden die Schmerzen und ich kann, wie bereits erwähnt, sogar über Stunden entspannt lesen.
Zum anderen sind da die Features der Braille-Systeme selbst. Sie sind einfach genug für Anfänger, haben aber auch Funktionen für echte Power-User wie mich. Wir können aus dem Editor oder anderen Teilen sehr viel herauskitzeln. Sie bieten über die Treiber für JAWS oder innerhalb z. B. von MusikBraille sogar Lern- und Trainingsmöglichkeiten, gerade wenn Zeilen mit ATC verwendet werden. Näheres dazu werde ich im Artikel übers Actilino noch beschreiben. Und bei jeder Funktion habe ich das Gefühl, dass sie mit Bedacht entwickelt und tatsächlich von Leuten ersonnen wurde, die so etwas auch selbst anwenden würden; sozusagen von Anwendern für Anwender.
Ich hoffe, dass Help Tech dieser Philosophie auch bei zukünftigen Produkten treu bleibt. Es gibt genug Experimente, Braille-Notizgeräte mit Android-Unterbau zu entwickeln, die mir immer das Gefühl geben, eher halbfertig oder unvollkommen zu sein. Als wenn nicht alle Teile zueinander passen wollen. Besonders stark fällt dies auf, wenn zu den eigenen, blindenspezifischen, Entwicklungen Teile des sonstigen Betriebssystems kommen, bei denen auf den in Android integrierten Screen Reader und die Brailleansteuerung zurückgegriffen wird. Die Unterschiede beißen einem geradezu in die Finger. Bei Handy-Tech-Systemen fühlt sich alles wie aus einem Guss an, sehr konsequent und stimmig, egal, was man gerade tut.
Ein weiterer Punkt ist die wirklich gute Dokumentation. Die Handbücher sind umfangreich. Ich erinnere mich noch genau an die zwei dicken Ordner für den DOS-Screen-Reader Braille Window Pro, der zum Lieferumfang meiner ersten Zeile gehörte. Ich glaube, weil ich selbst programmierte, z.B. mit Turbo Pascal für DOS, und andere nicht ganz übliche Programme verwendete, holte ich aus diesem DOS-Screen-Reader schon einiges heraus. Diese Handbücher waren dabei ganz definitiv eine große Hilfe.
Auch für aktuelle Braille-Systeme sind die Handbücher sehr gut gegliedert und beschreiben alle Funktionen genau, ohne unnötige Worte zu verlieren. Das ist bei Handbüchern ja durchaus eine Kunst, Funktionen eines Produkts erschöpfend zu beschreiben, ohne ins Schwafeln zu kommen.
Wenn dann aber doch mal irgendwo der Schuh drückt, habe ich bisher keine andere Firma erlebt, die sich so engagiert für die Belange ihrer Kunden einsetzt. Da wird nicht mit irgendwelchen Ausflüchten versucht, Bugs schön zu reden, tatsächliche Probleme unter den Tisch zu kehren oder die "Schuld" an der Fehlfunktion auf den Anwender abzuwälzen. Es wird methodisch das Problem erfasst, analysiert und dann festgestellt, wo es klemmt: An der Hardware, der Software oder tatsächlich einem Anwenderfehler, oder ganz einfach der Tatsache, dass der Anwender was versucht hat, woran bisher schlicht niemand dachte. Oder es wird eine Möglichkeit für eine neue Funktion erkannt und diese dann eventuell sogar in einer späteren Version der Gerätesoftware umgesetzt. Vor allem habe ich als Kunde das Gefühl, ernstgenommen und mit Ehrlichkeit behandelt zu werden. Und da kenne ich Firmen, auch in der Hilfsmittel-Branche, wo ich das schon anders erleben musste. So etwas schafft nachhaltig Vertrauen, und wenn Vertrauen da ist, komme ich als Kunde immer gern wieder.
Und noch ein Punkt ist ganz wichtig: Hier arbeiten Blinde selbst in verschiedenen Bereichen (Entwicklung, Support, Vertrieb) an den Produkten mit, die Blinde hinterher benutzen sollen. Das merkt man einfach. Es macht einen Unterschied, ob blindenspezifische Produkte von Sehenden für Blinde entwickelt werden, die glauben zu wissen, was ein blinder Anwender brauchen könnte, oder ob Geräte und Funktionen von Blinden für Blinde mitentwickelt werden.
Daher wird auch in Zukunft meine Wahl immer wieder auf Produkte von Help Tech fallen. Sie sind in Puncto Braille genau das, was ich brauche.
Disclaimer 🔗
Ich bin kein Mitarbeiter der Fa. Help Tech und bin auch nie einer gewesen. Ich bin lediglich begeisterter Kunde, der anlässlich des 25-jährigen Jubiläums seiner ersten Begegnung mit diesen außergewöhnlichen Braillezeilen einen Artikel geschrieben hat.
Die in diesem Artikel verwendeten Bilder wurden mir dankenswerterweise von der Fa. Help Tech zur Verfügung gestellt und dienen lediglich zur Illustration.