Regelmäßige Blogleser mögen sich an mein Experiment erinnern, mein langjähriges iPhone durch ein Android-Smartphone ersetzen zu wollen. Nach Teilen 1, 2, 3 und 4 kam ich letztendlich zu dem Schluss, dass zu diesem zeitpunkt ein Umstieg auf Android für mich nicht in Frage kam.

Selbst nach einem Ausflug in die custom ROMs und einigen weiteren Basteleien ergab sich nichts neues, und ich beendete das Experiment vorerst.

Nun bleibt ja aber auch bei Android die Entwicklung zum Glück nicht stehen, und es wäre unfair, einen solchen Test nicht ab und an in Frage zu stellen und zu überprüfen. Genau dies soll Ziel dieses Artikels sein.

Eine der Änderungen ist natürlich das Erscheinen von Android 4.4 „Kitkat“, das ja für die Nexus 4, 5 und 7 beider Generationen angeboten wird. Dieses brachte zusammen mit TalkBack 3.5 eine erheblich verbesserte Reaktion auf Gesten mit sich. Dies bemerkte ich schon im Laufe der Monate beim Benutzen von Firefox für Android, den ich ja beruflich auf seine Qualität für Barrierefreiheit hin teste. Auch Android L ist ja nicht mehr weit.

Apropos Talkback: nach einer achtmonatigen Entwicklungspause geht es mit einer neuen Betaversion weiter. Diese wird nun nicht mehr per APK-Download über deren Google-Code-Seite vertrieben, sondern ordentlich über den Play Store, indem man sich als Tester registriert und dann Betaversionen automatisch geliefert bekommt.

Mit einem Nexus 5, das ich aus o. g. beruflichen Gründen eh hier habe, habe ich nun also mal meine Kritikpunkte überprüft und bin zu folgenden Ergebnissen gekommen.

Die Tastatur 🔗

Einer der wesentlichen Kritikpunkte war, dass man auf der Google-Tastatur keine deutschen Umlaute schreiben konnte. Auch war es nicht einfach möglich herauszufinden, welche Sprache bei mehreren installierten Sprachen die nächste sein würde, die man anspringt. Dieses letztere Problem ist immer noch vorhanden, allerdings ist die ansage nach dem Umschalten deutlich besser.

Außerdem bekam die Google Tastatur kürzlich ein Update spendiert. Und eine der wesentlichen Neuerungen ist, dass man jetzt auch bei eingeschaltetem TalkBack einen Finger auf dem Grundbuchstaben für einen Umlaut verweilen lassen kann. Es poppt dann eine Mini-Tastatur auf, die Sonderzeichen für diesen Grundbuchstaben enthält. Für ein a z. B. also nicht nur ein ä, sondern auch ein a mit französischen Accent-Balken oder einer Ligatur bestehend aus a und e. Einzige Merkwürdigkeit ist, dass das ä als „A mit Threema“ gelesen wird. Klingt, wie ein Kommentator zu meinem englischen Beitrag hierzu vermutete, nach einem UTF-8-Konvertierungsproblem. Wenn man sich daran gewöhnt, kann man jetzt prima Umlaute eingeben. Einfach das gewünschte Sonderzeichen ansteuern, Finger anheben, fertig! Man muss lediglich am Anfang etwas Lernzeit einplanen, denn das Popup reagiert etwas empfindlich darauf, wenn man außerhalb berührt oder mit dem Finger hin rutscht, und schließt sich dann gern mal, und man muss es neu aufrufen. Mit ein bisschen Fingerübung komme ich inzwischen aber prima damit klar.

Was die Tastatur auch gut beherrscht, ist, beim Berühren der Leertaste und einiger Interpunktionszeichen anzusagen, wenn eine Autokorrektur vorgenommen wird und was diese sein wird. Man kann dann also, ohne den Finger anzuheben, oberhalb der Tastatur hin fahren und z. B. einen anderen Vorschlag oder den Originaltext finden und so eine Autokorrektur auch verhindern.

Diese neue Version der Tastatur wird standardmäßig nicht über den Play Store als Update angeboten. Man muss sie explizit suchen und dann aktualisieren, oder man nimmt den oben stehenden Link und lässt sich die Tastatur bequem vom Browser aus auf seine Geräte schicken. 😉

Zwei Punkte abgehakt und sogar noch dazugewonnen!

Editierfunktionen 🔗

Ein weiterer essenzieller Kritikpunkt war, dass es keine Unterstützung für Editierfunktionen gab und man auf eine externe Tastatur angewiesen war.

Auch dieser Punkt hat sich mit einem TalkBack-Update erledigt. Im lokalen Kontextmenü eines Textfeldes (in einer Bewegung nach oben und rechts wischen) gibt es jetzt einen Punkt „Cursorsteuerung“. In diesem Untermenü befinden sich nicht nur Punkte, um den Cursor an den Anfang oder das Ende zu bewegen und allen Text zu markieren, sondern auch ein Punkt namens „Textauswahl beginnen“. Wählt man diesen, vollführen die Wischgesten nach links und rechts Textmarkierung bzw. heben diese auch wieder auf. TalkBack ist hier nicht sehr gesprächig, man muss also ein bisschen aufpassen, was man schon markiert hat und was nicht. Eine Möglichkeit, den markierten Text vorlesen zu lassen, habe ich noch nicht gefunden.

Ruft man danach dieses Kontextmenü wieder auf, gibt es im Untermenü „Cursorsteuerung“ Punkte zum Ausschneiden oder Kopieren. Befindet sich Text in der Zwischenablage, gibt es auch einen Punkt zum Einfügen von Text.

Wieder einer weniger!

Kontinuierliches Scrollen in Listen 🔗

Ein weiterer Punkt, der mich extrem störte, war der, dass man in Listen nicht kontinuierlich scrollen konnte. Dies wurde in einem recht frühen TalkBack-Update nach meinem Blogbeitrag als Feature hinzugefügt. Jetzt wird bildschirmweise weitergescrollt, wenn man das letzte angezeigte element erreicht hat und weiter nach rechts wischt. Ggf. muss man dieses Verhalten einmal in den TalkBack-Einstellungen aktivieren.

Und noch einer weg! 🙂

Der DB Navigator 🔗

Ein weiteres Problem war, dass der DB Navigator der Deutschen Bahn, den man ja doch hin und wieder braucht, wenn man in Deutschland unterwegs ist, nicht zugänglich war. Vor allem konnte man die gewünschte Abfahrtszeit und das Datum nicht einstellen.

Diese App hat im Laufe des letzten Jahres ein Update bekommen. Dieses vereint nun DB Navigator und DB Tickets in einer App, und es wird ein zugängliches Datums- und Zeit-Auswahl-Widget zur Verfügung gestellt, mit dem man wunderbar alle Angaben machen kann. Zusammen mit einigen Verbesserungen bei den verwendeten Webansichten ist nun das Heraussuchen von Verbindungen, Buchen von Tickets und das Vorzeigen im Zug mit der Android-App genauso möglich wie mit der App für iOS. Yay! 🙂

eBooks 🔗

Während sich bei Google Play Books wenig getan hat, ist die Amazon Kindle App, dem Beispiel der iOS-App folgend, auch unter Android inzwischen voll zugänglich, und man kann damit seine eBooks genauso lesen wie unter iOS. Das ist auch deshalb nicht überraschend, weil zumindest die englische Version von FireOS 3.0, die Ende 2013 zusammen mit den Kindle-Fire-HDX-Modellen erschien, diese Unterstützung ebenfalls bietet. FireOS ist ein Ableger von Android.

Kalender

In der ursprünglichen Fassung dieses Blogbeitrags schrieb ich im weiter unten stehenden Bereich der noch problematischen Dinge folgendes:

Zum einen ist dies der Kalender. Oh ja, auch der spricht inzwischen besser als damals, ich kann mit dem, was er mir erzählen möchte, aber nichts anfangen. Felder für Termine und Daten gehen munter durcheinander, und ich habe keine rechte Ahnung, was genau wohin gehört. Wenn hier jemand einen guten zugänglichen Ersatz kennt, bin ich für Hinweise immer dankbar!

Nach Veröffentlichung des englischsprachigen Posts hierzu erhielt ich auf der Eyes-Free-Mailingliste den Tipp, den Kalender in die Terminübersicht-Ansicht umzuschalten. Man aktiviert dafür oben links die Dropdown-Liste, deren Beschriftung „August 2014“ (oder welches Jahr und welchen Monat man eben gerade hat) lautet. Es öffnet sich ein Menü mit vier Optionen, und die unterste ist Terminübersicht. Diese ist in der Tat sehr zugänglich, und man kann problemlos erfassen, was an Terminen ansteht. Problem gelöst!

Andere Verbesserungen, die ich damals nicht als Problem erwähnte 🔗

Es gab in Android auch einige Verbesserungen, die in meinen ursprünglichen Posts keine Kritikpunkte waren, hier aber durchaus erwähnt werden sollten. So hat sich, wie oben bereits erwähnt, die Zugänglichkeit von WebViews in Android 4.4 merklich verbessert. Die GoogleMail-App liefert sogar so etwas mit, das stark nach ChromeVox klingt. Man muss lediglich zum Mailinhalt wischen, ihn nicht berühren, dann wird diese Unterstützung automatisch genutzt. Hiermit ist die Gmail-App inzwischen so gut zugänglich wie unter iOS seit einem Update im Frühjahr. Auch ist es nicht mehr nötig, in den Einstellungen für Bedienungshilfen die Skriptunterstützung für Webansichten einzuschalten, das passiert jetzt völlig automatisch.

Apps wie Google+ laufen unter Android sogar besser als unter iOS! Auch die Twitter- und Facebook-Apps haben erhebliche Verbesserungen bei der Zugänglichkeit erfahren, seit es in beiden Firmen Teams gibt, die für die Barrierefreiheit zuständig sind und die entsprechenden Ingenieure so schulen, dass diese die Zugänglichkeit bei neuen Features gleich mit beachten. Klappt sowohl unter iOS als auch Android noch nicht immer reibungslos, aber doch immer öfter! 🙂

Und eines sollte auch noch erwähnt werden: Chrome folgte dem Beispiel des Firefox und implementiert jetzt auch einen echten TalkBack-Support. Dieser steht seit Version 35 zur Verfügung. Somit ist Chrome keine selbst sprechende Anwendung mehr und integriert sich besser mit TalkBack und anderen alternativen Screen Readern.

Weitere Apps mit guten Alternativen 🔗

Etwas, das ich im Ausland viel nutze, ist eine App zur Geldschein-Erkennung. Unter iOS mache ich das immer mit dem LocTel Money Reader. Unter Android gibt es dafür inzwischen u. a. die App Blind-Droid Wallet, mit der ich gute Ergebnisse erzielt habe.

Auch für die Navigation scheint es inzwischen etwas vernünftigeres zu geben, u. a. die App DotWalker. Ich habe sie noch nicht testen können, bekam sie heute Vormittag erst empfohlen. Sie scheint nicht ganz den Funktionsumfang von BlindSquare zu beherrschen, aber auf einem guten Weg zu sein. Und wer weiß, vielleicht gibt es BlindSquare ja auch bald mal für Android! 🙂

Dinge, für die ich noch Alternativen suche 🔗

Von meiner Liste bleibt eigentlich nur ein Bereich übrig, für den ich bisher noch keinen adäquaten Ersatz bzw. eine Entsprechung gefunden habe.

Und dieser betrifft die Kamera und Gallerie. Auch diese scheint besser geworden, zumindest was die Kamera angeht, die Gallerie ist aber genauso unzugänglich wie damals, und das betrifft auch Apps, die diese einbeziehen, wie der ABBYY TextGrabber. Ich weiß von Benutzern eines Samsung Galaxy S5, dass Samsung sowohl bei der Kamera als auch der Gallerie richtig was getan haben und sich das für sie fast wie auf einem iPhone anfühlt, mit Gesichtserkennung, Panoramaunterstützung und so weiter, bei Google-Nexus-Geräten ist dies jedoch leider absolut nicht der Fall. Hier wären also Alternativen echt spannend.

Fazit 🔗

Von der Menge an Punkten, die ich damals zu kritisieren hatte, ist tatsächlich nur einer übrig geblieben, und dieser könnte durchaus als Nice-To-Have durchgehen. 😉

Es ist also sehr erfreulich zu sehen, dass Android aufholt und sich kontinuierlich verbessert und es somit tatsächlich mal eine ernstzunehmende Alternative zu Apples iPhone gibt! Auswahlmöglichkeiten sind auch für unseren Personenkreis sehr wichtig! Android als Alternative ist für mich jedenfalls heute viel wahrscheinlicher als vor einem Jahr!

Und nun freue ich mich auf eure Kommentare!