Dies ist Teil 1 einer mehrteiligen Serie über meinen Umstieg auf Android als primäres mobiles Betriebssystem. In diesem Beitrag geht es um die Auslöser.
Vom Mac zu Windows 🔗
Der erste Grund, weswegen Android überhaupt wieder stärker in meinen Fokus geriet, war im ersten Halbjahr 2018 einer, der gar nichts damit zu tun hatte, sondern mein endgültiger Wechsel vom Mac zu Windows mit einem Surface Laptop als primäres Desktop-Betriebssystem. Der Hauptgrund war, dass VoiceOver auf einem gerade mal drei Jahre alten macBook Air mit fortschreitenden MacOS-Versionen immer instabiler wurde. Das am häufigsten auftretende Problem war ein Totalausfall des Soundsystems, was natürlich auch einen Ausfall der Sprachausgabe mit sich brachte. Hatte ich Glück, war zu dem Zeitpunkt eine Braillezeile angeschlossen. Dann konnte ich den Mac kontrolliert neu starten, was das Problem bis zum nächsten Ausfall behob. Diese Ausfälle traten fast täglich auf.
Hatte ich Pech, war keine Zeile angeschlossen und wurde vom eingefrorenen VoiceOver auch nicht mehr erkannt, wenn ich sie einsteckte, nachdem der Soundausfall aufgetreten war. Dann blieb nur, den mac per langem Drücken auf die Ausschalte-Taste zu „töten“ und unsauber neu zu starten. Auch eine Neuinstallation des Betriebssystems brachte keine Abhilfe, ein Hardwarefehler konnte aber nicht festgestellt werden.
Dazu kam, dass die neueren MacBook-Modelle durch die Bank weg überhaupt nicht mehr ansprechend waren. Die Tastaturen mit dem Butterfly-Mechanismus der diversen Generationen waren so unangenehm für meine Finger, auch nach mehrerem Ausprobieren, dass keines der aktuellen MacBook-Modelle als Ersatz für mich in Frage kam. Auch hatte ich dann ja keine Garantie, dass dieselben Probleme auf dieser neuen kostspieligen Anschaffung nicht auch auftreten würden. Wie ich inzwischen durch den Austausch mit anderen Usern weiß, tat ich sehr gut daran, das Problem ist durchaus verbreitet und tritt auf verschiedensten MacBook-Modellen auf.
Im Mai 2018 vollzog ich dann also den Umstieg auf Windows, das ich auf einem Rechner für die Arbeit eh schon primär nutzte, auch privat, und zwar mit einem Microsoft Surface Laptop. Das ist dasjenige Surface-Modell, das einem klassischen Laptop entspricht. Die Tastatur sitzt im Gehäuse, der Bildschirm wird drauf geklappt, hat aber einen Touchscreen, so dass ich auch Tablet-Funktionen damit nutzen kann, wenn ich es möchte. Die Tastatur ist wunderschön im Anschlag und Schreibfluss. Sie ist mit dem Alcantara-Material bezogen, was das Aufliegen der Handballen sehr angenehm macht. Nicht so hitze- oder kälteempfindlich wie Aluminium und nicht so scharfkantig wie die Kunststoffumgebung des Surface Book oder Book 2. Das Surface Laptop hat weiterhin nicht die Probleme mit dem doch wackligen Kickstand, vor allem auf dem Schoß, wie ich diese ausführlich im Test von Surface Pro 4 und Surface Laptop besprochen habe. Disclaimer: Für all diese Aussagen bekomme ich von Microsoft keinen Cent. 😉
Suboptimale Integration 🔗
Schnell zeigte sich daraufhin auch, dass die Integration zwischen iPhone und Laptop nur unzureichend funktioniert. Dies ist Apples sehr verschlossenem Ökosystem geschuldet, das am liebsten nur weitere Apple-Produkte sehen möchte. Man kann zwar iCloud Mail, Kontakte und Kalender in Windows 10 Mail und Kalender integrieren, die Synchronisation läuft auch OK, aber viel mehr geht auch nicht. iCloud für Windows tut alles mögliche, vor allem Rechnerressourcen verschwenden, aber sonst nichts Gescheites. Die Dateisynchronisation ist sehr wacklig, die Fotosynchronisation ebenfalls, und der Lüfter ist ständig am Drehen, obwohl die Software augenscheinlich nichts tut.
Die Microsoft-Apps für iOS versuchen vieles abzufangen, können dies aber nur im Rahmen von Apples Beschränkungen tun. Die Gesamterfahrung war also doch sehr unbefriedigend. Und es lag nicht an der Barrierefreiheit. Microsoft dekliniert Barrierefreiheit seit einigen Jahren firmenweit sehr konsequent durch, und das zeigt sich nicht nur beim eigenen Betriebssystem, das mit jedem Update immer besser wird, sondern auch in den Apps, die sie für die mobilen Betriebssysteme iOS und Android herstellen.
Wechsel des primären E-Mail-Anbieters 🔗
Ein weiterer Wechsel, der sich im Sommer 2018 abzeichnete, war der meines primären E-Mail-Anbieters zurück zu Gmail, das ich trotz mehrerer Versuche, ohne Google-Dienste auszukommen, nie wirklich in Rente geschickt hatte. Die Gründe waren mannigfaltig, aber zwei seien hier ganz besonders erwähnt.
Zum einen verlegte ich meine E-Mail-Aktivitäten immer mehr in den Browser, weg vom klassischen E-Mail-Client. Mehrere Thunderbird-Updates, die einfach immer wieder unerklärliche Dinge kaputtgemacht und mir somit erheblichen Frust verursacht hatten, haben mir die Lust an diesem Programm verleidet. Und die Tatsache, dass kaum noch ein zugängliches E-Mail-Programm mit einfachen IMAP-Anbietern wie mailbox.org o. ä. klarkommt, tat ihr übriges. Ich wollte einfach nicht mehr ständig mit irgendwelchen technischen Unstimmigkeiten kämpfen.
Der zweite Grund ist ein ganz profaner: Ich bin in Gmail viel schneller darin, Dinge zu finden, als irgendwo sonst. Gmail sucht über alle Ordnergrenzen hinweg, und mit Hilfe von Suchoperatoren kann ich die Suche auf einfache Weise so verändern und verfeinern, dass ich garantiert schnell finde, was ich suche.
Weitere Dinge sind ein vollständig zugänglicher Kalender, was es in Thunderbird ja gar nicht gab, und die Integration mit Dateispeicher. Wenn ich eine Anlage eben nicht herunterladen will, speichere ich sie einfach in Google Drive. Und ja, da überwiegt bei mir inzwischen der Pragmatismus und die bessere Barrierefreiheit über den Idealismus, auf Teufel komm raus nicht mit den großen Anbietern zu arbeiten. Auch ist die Integration mit Windows 10 Mail und Kalender so gut, dass ich mir sogar aussuchen kann, ob ich im Browser oder dem Windows-10-Programm einen Termin oder Kontakt eintrage oder dies vom handy aus mache.
Frust mit FaceID 🔗
Seit November 2017 besaß ich ein iPhone X. Und der Hauptgrund war, dass ich dachte, FaceID könnte auch für mich von Vorteil sein, wie mir viele andere, hauptsächlich Sehende, dies in den ersten Wochen nach Erscheinen des neuen iPhones berichteten. Nun, es hat den Alltagstest für mich nicht bestanden, trotz verschiedenen Neutrainierens und anderer Tricks und Kniffe, die ich versuchte, die Situation zu verbessern.
Dabei hatte ich bis dahin mit Gesichtserkennung zur Anmeldung überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht. Das Surface Book, das ich zwei Jahre von Mozilla zum Arbeiten gestellt bekam, das getestete Surface Pro 4 und auch das Surface Laptop erkannten und erkennen mein Gesicht problemlos bei verschiedenen Lichtverhältnissen und Umgebungen und melden mich zuverlässig an. Es ist speziell die Kombination mit dem iPhone, die mir immer wieder Probleme machte. Oft wurde ich nicht erkannt, trotz eigentlich immer gleichartiger Handbewegung beim Anheben des iPhones. Ich musste die Hand dann nochmals senken und wieder heben, damit ich dann hoffentlich doch erkannt wurde.
Und das iPhone war sehr empfindlich, in welcher Körperhaltung ich mich befand. Saß oder stand ich, war es OK. Lag ich hingegen im Bett und wollte z. B. nachts während einer Wachphase mal Social Media nachlesen o. ä., wurde ich fast nie erkannt. Auf dem Rücken liegend zu fast 100% nicht, und auf einen Ellenbogen aufgestützt auch nicht viel öfter. Ein iPhone mit TouchID hatte mir diese Probleme nie gemacht. Ich konnte entspannt in welcher Haltung auch immer liegen bleiben und das iPhone entsperren, 1Password authentifizieren oder Einkäufe autorisieren. Mit FaceID musste ich immer gleich den ganzen Körper bewegen, in der Hoffnung, dass mich das iPhone irgendwie erkannte. Und ich wiederhole: Das alles trotz mehrmaligen Trainierens der Gesichtserkennung.
Und hier eine ganz persönliche Meinung für andere blinde iPhone-Nutzer, die bisher ein Gerät mit TouchID haben: Haltet daran fest, solange ihr könnt. Oder wenn ihr upgraden müsst, schaut bei Amazon o. ä. nach gebrauchten oder neuwertigen iPhone-8-Modellen mit TouchID und einem vernünftigen Home Button. So gut Gesichtserkennung mit Windows Hello funktioniert, so krampfig empfand zumindest ich es auf dem iPhone.
Dieser Frust führte auch dazu, dass ich nicht mehr bereit war, bei Erscheinen von iPhone XS, XS Max oder XR nochmal so viel Geld in die Hand zu nehmen und dann wieder frustriert zu sein, weil das Marketing-Sprech von Apple, das in letzter Zeit immer weniger von dem hielt, was es versprach, mich hier auch wieder enttäuschen würde.
Ein frischer Blick auf Android 🔗
Diese nicht zufriedenstellende Gesamtsituation sowie die doch eher kaum vorhandene Weiterentwicklung der Funktionen in iOS 12, was zumindest meine Benutzungsmuster anging, führten dazu, dass ich mir ein aktuelles Android näher besah. Seit meinem letzten Versuch 2014, der nach 18 Tagen mit ziemlichem Frust geendet hatte, waren ja mittlerweile über vier Jahre vergangen. Durch Tests, die ich im Rahmen meiner Arbeit bei Mozilla für Firefox für Android durchführte, hatte ich bemerkt, dass die Qualität von Android und TalkBack sich stetig verbessert hatte. Vor allem in Android 6 Marshmallow und 7 Nougat hatten sich erhebliche Fortschritte abgezeichnet.
Im Oktober besorgte ich mir dann also ein erstes Android-Handy, ein Nokia 6.1, und begann zu spielen. Den Weg zu meinem aktuellen Android-handy werde ich ausführlicher im nächsten Teil beschreiben, auch die Startschwierigkeiten werden dort Thema sein. Aber es wurde sehr schnell klar, dass die Integration mit sowohl dem Google-, als auch dem Microsoft-Ökosystem hier viel besser möglich war als unter iOS.
Auch die Qualität vieler Apps hatte sich erheblich verbessert, inklusive der Barrierefreiheit. Auch hier wird Android inzwischen von vielen Firmen, nicht nur Microsoft und Google selbst, nicht mehr als zweitklassiges Betriebssystem behandelt. Und die Programmierschnittstellen von Android für Barrierefreiheitsfunktionen haben sich auch soweit verbessert, dass man damit inzwischen echt was anfangen kann.
Seid also gespannt auf Teil 2, über welchen Weg ich zu meinem aktuellen (seit Mitte Januar 2019) Android-handy kam.