In den vergangenen Monaten ist der Name des Dienstes Slack immer häufiger in sozialen Netzwerken, Presseartikeln oder bei an mich gerichteten Anfragen aufgetaucht. Zeit, sich mal genauer mit dessen Zugänglichkeit zu befassen. Dieser Artikel wurde zuletzt im Mai 2019 aktualisiert.
Was ist Slack? 🔗
Slack ist ein Sofortnachrichten- oder Chat-Dienst für Teams. Ursprünglich für den Einsatz in Unternehmen gedacht, erfreut es sich inzwischen bei immer mehr Open-Source-Communities wie der von WordPress wachsender Beliebtheit. Es basierte zunächst auf dem alten Internet Relay Chat (IRC) Protokoll, hat sich von diesem aber inzwischen weg entwickelt. Während man, um an einem IR Chat teilnehmen zu können, ein gewisses technisches Verständnis haben muss und Angaben wie IRC-Server braucht, ist es bei Slack sehr einfach, sich zu registrieren. Man benötigt entweder eine Einladung oder muss sich mit Hilfe einer Webseite selbst eine schicken lassen, indem man einfach nur die E-Mail-Adresse eingibt. Danach wählt man lediglich einen Chat-Spitznamen und ein Passwort, und los geht’s. Bei IRC ist der Nachteil, dass jedes Netzwerk eigene Regeln zur Identifizierung hat, wenn es überhaupt welche gibt. Auch ist IRC je nach Netzwerk sehr anfällig für Störungen durch sogenannte Netzaufspaltungen (Net Split). Bei Slack ist alles zentral angelegt. Die Nachrichten werden an einem Ort gespeichert, und selbst wenn man mehrere Stunden lang offline war, kann man alles, was in einem Kanal gesagt wurde, nachlesen, und dies sogar von verschiedenen Clients vom Handy, Tablet oder Laptop aus.
Ein weiterer Vorteil von Slack ist, dass alle möglichen und unmöglichen Dienste eingebunden werden können. Das reicht vom Anzeigen einfacher Tweets über das Teilen von Dokumenten oder anderen Dateien per Dropbox, Google Drive, Box usw. mit dem gesamten Team, über die Integration des Aufgabenverwaltungsdienstes Trello bis hin zur Integration von Skype oder Google Hangouts, um mit einem einzigen Befehl aus Slack heraus einen Gruppenanruf zu starten. Selbst ein Blumenkübel soll über Slack schon bescheid gesagt haben, dass er umgefallen ist – ähem tschuldigung – seine Einwohner neues Wasser benötigen.
Slack möchte eine moderne Form der Teamkommunikation sein, die auch die Nachteile von E-Mail-Threads und verschiedenen Kommunikationskanälen ausgleichen will. Idealerweise ist Slack also der Nachrichten-Hub fürs gesamte Team, über den alles ausgetauscht wird und somit alle immer auf dem neuesten Stand sind. Die Historie ist sogar für neu hinzugefügte Teammitglieder vollständig einsehbar, was ja z. B. bei schon abgeschlossenen E-Mail-Diskussionen nicht der Fall ist, es sei denn, man macht eine sehr umständliche Weiterleitungsorgie.
Wie kam ich zu Slack? 🔗
Auslöser für mich war 2015 die Gründung einer englischsprachigen Interessengruppe rund um die Zugänglichkeit im Web, die a11ySlackers. Von Berichten von Freunden wusste ich, dass die iOS App recht zugänglich sein sollte, das Webinterface hingegen nicht.
Meine ersten Gehversuche verliefen aber wenig erfolgversprechend. Das Erhalten einer Einladung und die Registrierung klappten, und die Webseite hielt in der Tat, was sie versprach. Die iOS App jedoch, die zugänglich sein sollte, hatte einen sehr komischen Scroll-Fehler, durch den es mir kaum möglich war, die Unterhaltung richtig zu verfolgen. Ich gab den Versuch also auf und nahm den Weg über Gitter, dessen IRC-Brücke und den Dienst IRCCloud, einen webbasierten IRC-Client, der und dessen iOS App gut zugänglich sind.
Anfang Januar 2016 verkündete Christian Heilmann jedoch, dass er eine Slack-Gruppe für diejenigen gegründet hat, die regelmäßig Vorträge rund ums Web halten und ansonsten auch Webentwicklern bei allen möglichen und unmöglichen Dingen helfen. Im Englischen nennt man das Developer Evangelist oder Advocate, deutsche Begriffe sind mir dafür nicht bekannt.
Basierend auf meinen oben geschilderten Erfahrungen aus dem September 2015 war ich sehr enttäuscht, weil ich so ohne weiteres an diesem Team nicht würde teilnehmen können. Ich äußerte dies auch und schlug stattdessen vor, das doch viel zugänglichere IRC und einen vernünftigen IRC-Client zu nehmen. Christian schlug mir im Gegenzug vor, dass wegen der deutlich besseren Features und des User Interfaces man doch viel lieber die Macher von Slack dazu bringen sollte, ihre Arbeit richtig zu machen. Er hat diesen Austausch und seine Gedanken dazu in einem englischsprachigen Artikel namens „Don’t use Slack?“ zusammengefasst. Dennoch fühlte ich mich zunächst mal ziemlich außen vor, um nicht zu sagen ausgesperrt.
Nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen hatte, reifte in mir der Entschluss, diese Frustration in etwas positives umzukehren und tatsächlich zu versuchen, irgendwie einen Fuß in die Tür bei Slack zu kriegen, um zu helfen, dass deren Clients in Zukunft zugänglicher für Menschen werden, die Screen Reader oder andere Hilfstechnologien nutzen müssen. Denn es gab einiges zu tun!
Die Webseite 🔗
Wie bereits angedeutet, war die Webseite im Informations- und Registrierungsbereich zwar recht OK, im eigentlichen Bereich der Applikation bestand sie aber quasi komplett aus nicht semantischen div und span Elementen mit Klick-Behandlern. Es gab zwar ein korrektes mehrzeiliges Eingabefeld für die Chatnachrichten, die man selbst schreibt, und hier und da war auch ein Link zu finden. Aber sämtliche Popups oder Overlays, die nur erscheinen, wenn man mit der Maus drüber geht und die Chatausgabe eines Kanals selbst waren unstrukturiertes HTML ohne semantische Zusammenhänge. Screen-Reader-Benutzer, Leute, die ihren Browser nur mit der Tastatur steuern wollen oder alle möglichen anderen Gruppen, die den Browser nicht voll sehenden Auges und mit einer Maus bedienen können oder wollen, waren hier damals außen vor. Packt man dazu noch fehlende Alternativtexte für so ziemlich alle Grafiken und ganz viele lustige Icon Fonts, die noch viel lustigere Ergebnisse mit der Sprachausgabe erzeugen, hat man das Chaos ziemlich gut umschrieben. Wusstet ihr, dass unten auf jeder Seite stand: „Made with Damenkleidung by Slack“? 😉
Glücklicherweise gehören diese katastrophalen Zustände inzwischen der Vergangenheit an. Nach mehreren Monaten massiven Drucks aus der Community wurde Mitte 2016 verkündet, dass zwei sehr bekannte Namen ihren Weg zu Slack finden würden, ein Produktmanager und ein Entwickler. Der eine war vorher u. a. bei Facebook, der andere bei Twitter angestellt. Über die nächsten Monate wurde zunächst die Tastaturbedienbarkeit stark verbessert. Die gesamte Oberfläche wurde per Tastatur erreich- und navigierbar gemacht und somit bereits ein großer Teil dessen erledigt, was auch Screen-Reader-Nutzer benötigen. Gleichzeitig wurde dies auch dokumentiert und so nützliche Artikel wie Tipps zum schnelleren navigieren mit der Tastatur in die Wissensdatenbank aufgenommen.
In einem weiteren Schritt wurde dann die Zugänglichkeit für Nutzer von Bildschirmleseprogrammen wie NVDA, JAWS oder VoiceOver hergestellt. Inzwischen sind alle Bereiche zugänglich. Einen Guide zur Benutzung von Slack mit einem Screen Reader findet man ebenfalls in der Wissensdatenbank.
Auch im Bereich der visuellen Unterstützung tat sich viel, so gibt es Designanpassungen und Zoom-Optionen für Sehbehinderte und auch einige Einstellungen speziell zur Barrierefreiheit.
Fazit: Sah es zunächst sehr düster aus, hat sich in den letzten zweieinhalb Jahren sehr viel getan, und man kann als Nutzer assistierender Technologien inzwischen gut an Slack-Teams teilnehmen.
Der Mac- und Windows-Client 🔗
Bei den Clients für Mac und Windows sieht es genauso positiv aus. Sowohl der Mac-Client als auch der Windows-Client durch die obigen Änderungen zugänglich geworden. Diese Apps basieren auf der Webanwendung, sie verpacken diese lediglich in einem abgespeckten chromium-basierten Browser. Für die TechnikerInnen unter uns: Electron. Dies bedeutet also, dass alle Verbesserungen, die die Webanwendung erfährt, automatisch auch in der nativen App zur Verfügung stehen. Lediglich bei der Bedienung mit der Tastatur gibt es einen Unterschied, auf den auch in den oben verlinkten Artikeln immer wieder verwiesen wird: Alles, was im Browser mit STRG+F6 bzw. STRG+Umschalt+F6 (Windows) bzw. CMD+F6 und CMD+Umschalt+F6 (Mac) erreicht wird, ändert sich zu einfachem F6 und Umschalt+F6 auf beiden Plattformen.
Der iOS-Client 🔗
Dieser ist tatsächlich seit Version 3.8 ziemlich vollzugänglich. Es gibt keine unbeschrifteten Schalter, selbst die Einblend-Menüs für die Kanäle und sonstigen Funktionen werden so dargestellt, dass vom Hintergrund für VoiceOver nichts mehr zu sehen ist und man diese Menüs auch wieder ordentlich schließen kann. Daran scheitern im ersten Versuch erfahrungsgemäß viele iOS-Entwickler. Drei Probleme aus der ursprünglichen Version dieses Artikels, die die Bedienung noch etwas hakelig gemacht haben, wurden in der Zwischenzeit behoben. Dies betraf zum einen die Einstellungen, die inzwischen ordentlich gelesen werden. Zum zweiten hat man inzwischen auch Zugriff auf Anhänge. Und auch das Problem, dass umgekehrt herum gescrollt wurde, wurde mit Version 3.8 endlich behoben.
Seit Version 19.2.1 hat sich die VoiceOver-Zugänglichkeit noch einmal erheblich verbessert. Ich zitiere einfach mal den Auszug aus den Release Notes für die iOS-Version:
Für Benutzer von VoiceOver gibt es jede Menge Verbesserungen: Nachrichten werden jetzt in einem menschlicheren Tonfall vorgelesen, und die Nachrichtenstruktur in der Ansicht für den Haupt-Channel und für Threads wurde einander angeglichen. Die Nachrichtenansicht ist nun leichter lesbar und auch die Navigation wurde optimiert, komplett mit eigenen Aktionen für jede Nachricht. Die Thread-Ansicht enthält unterdessen mehr Informationen und Nachrichtenaktionen wie z. B. das Markieren von Nachrichten als Favorit oder das Teilen in einem anderen Channel. Puh.
Der Android-Client 🔗
Der Slack-Client für Android ist ähnlich gut zugänglich wie der für iOS. Lediglich die kürzlich bei iOS hinzugekommene Verbesserung der Leseerfahrung in Channels und Threads sowie die eigenen Aktionen fehlen hier noch. Aber es steht zu vermuten, dass das demnächst eingefügt wird. Der Client ist gut bedienbar und ebenfalls eine zuverlässige Möglichkeit, auf Slack-Teams zuzugreifen.
Fazit 🔗
Nach längerer Wartezeit ist Slack als Plattform (Stand Mai 2019) für Menschen mit Behinderungen vollwertig nutzbar und keine Barriere im Job oder privaten Umfeld mehr. Sowohl die Web- und Desktop-, als auch die mobilen Clients für iOS und Android sind zugänglich und werden kontinuierlich verbessert. neue Features sind dank eines umfassenden internen Lernprozesses standardmäßig zugänglich bzw. werden gar nicht erst veröffentlicht, wenn sie es nicht sind.
Noch ein Tipp für die Clients für iOS und Android. Gekoppelt mit einer entsprechenden Bluetooth-Tastatur fürs komfortablere Tippen ist die App auf beiden Plattformen noch besser nutzbar. Gerade wenn man viel unterwegs mit Kollegen oder Teammitgliedern chatten muss, kommt man an einer solchen Anschaffung nicht vorbei, ohne schnell sehr frustriert zu werden.
Wer noch mehr über Slack und die Philosophie des Unternehmens erfahren möchte, findet in zwei Interviews mit dem Gründer Stewart Butterfield bei T3n und dem Gründerszene-Magazin einige sehr lesenswerte Aussagen. Slack macht durchaus den Eindruck, nicht ein x-beliebiges neues Startup aus dem Silicon Valley zu sein, und es könnte die Art, wie Teams in Unternehmen und auch im Open-Source-Bereich miteinander kommunizieren, umkrempeln, weil es auf einfache Weise viel bessere Integrationsmöglichkeiten bietet als das althergebrachte IRC oder die gute alte E-Mail. Bei der immer größer werdenden Informationsflut ist es wichtig, diese zu bündeln und sich nicht in zu vielen Kanälen zu verzetteln, die man überwachen muss, und Slack kann hier eine gute Möglichkeit sein.
Ich werde diesen Artikel regelmäßig mit neuen Erkenntnissen und Entwicklungen aktualisieren.