Mac OS X 10.9, Codename Mavericks, ist erschienen. Und hier kommt eine Übersicht über augenfällige Neuerungen und Erweiterungen bei den Bedienungshilfen. Aber es gibt diesmal auch eine Liste von Problemen, die für den einen oder die andere dazu führen könnte, dass mit einem Update vielleicht noch gewartet werden sollte.
VoiceOver 🔗
Für viele meiner Leser dürften die Neuerungen bei VoiceOver am interessantesten sein, daher kommen diese mal zuerst.
Neue deutsche Stimmen 🔗
Es gibt zwei neue deutsche Stimmen, die das Resultat des Aufkaufs von SVox durch Nuance sein dürften. Eine neue weibliche Stimme namens Petra dürfte vielen Hamburgern aus vielen HVV-Bussen bekannt sein. Eingesprochen wurde diese Stimme von Gabriele Libbach, ihres Zeichens Off-Stimme bei NDR Kultur und sehr bekannt aus vielen Europa-Hörspielen und Fernseh-Synchronisierungen aus den 80ern und 90ern.
Die neue männliche Stimme heißt Markus. Dies ist eine sehr sonore männliche Stimme, die ich bisher keinem bekannten Sprecher zuordnen konnte.
Die beiden Stimmen Yannick und Anna, die man schon aus OS X Lion und Mountain Lion kennt, sind ebenfalls in leicht veränderter Form erhalten geblieben. Sie sind den Stimmen in iOS 7 angeglichen.
Keine der beiden neuen Stimmen ist übrigens identisch mit den neuen Stimmen von Siri unter iOS 7. Diese beiden Stimmen sind dem Sprachassistenten vorbehalten und auf dem Mac nicht verfügbar.
Und zu den Stimmen kommt auch gleich mein erster Kritikpunkt: Sie haben sich in Puncto Qualität gegenüber den Stimmen aus Mountain Lion verschlechtert. Anna klingt leicht schnarrig, Petra klingt als sei sie nur mit 16 KHz gesamplet und klingt entsprechend muffelig. Auch Markus hat teilweise Artefakte beim Sprechen, die an eine schlecht komprimierte MP3-Datei erinnern.
Weiterhin hat sich ein Bug, der aus Lion-Zeiten sehr bekannt ist und in Mountain Lion behoben war, wieder eingeschlichen: Enthält z. B. ein im Twitter-Client Yorufukurou angezeigter Tweet ein oder mehrere Emoji-Zeichen, verstummt jede der vier deutschen Stimmen beim Vorlesen solcher Tabellenzeilen. Lediglich das Navigieren per Wörter und Zeichen innerhalb des Textes liest sowohl den Text als auch diese Emoji-Zeichen vor. Dies ist ein sehr ärgerlicher Umstand, und es ist völlig unverständlich, warum ein bereits behobenes Problem so leicht wieder seinen Weg in einen Nachfolger des Betriebssystems finden konnte und auch trotz frühen Fehlerberichts an Apple im Juni bis jetzt nicht behoben wurde.
Und noch etwas fällt sofort negativ auf: Viele Apple-spezifischen Produkt- und Programmnamen wie Finder, iTunes, iPhoto, iPad, iPhone, iPod usw. werden von den deutschen Stimmen völlig falsch ausgesprochen. Es sind sämtliche Wörterbucheinträge, die von Apple bisher für seine eigenen Produktnamen mitgeliefert hat, in dieser Version des Betriebssystems verlorengegangen. Was bleibt, ist ein Eindruck sehr unsauberer und schlampiger Übersetzung.
Menüaktionen für Elemente 🔗
Die Tastenkombination VoiceOver+Cmd+Leertaste, die bisher mit dem Markieren unzusammenhängender Einträge belegt war, hat eine neue Funktion bekommen. Drückt man diese jetzt z. B. auf einer Zeile im Mail-Posteingang, erscheint ein Menü, in dem man wählen kann, dass man das Kontextmenü anzeigen möchte. Drückt man diese Kombination aber z. B. auf einem Link in Safari, bekommt man gleich drei Optionen zur Auswahl:
- Zum Anzeigen scrollen
- Drücken
- Menü anzeigen
„Drücken“ und „Menü anzeigen“ entsprechen den bekannten Kommandos VoiceOver+Leertaste und VoiceOver+Umschalttaste+Leertaste. Die dritte Option ist interessant, wenn man mit Sehenden zusammenarbeitet oder aus anderen Gründen erzwingen möchte, dass das aktuelle Element auf jeden Fall auf dem Bildschirm sichtbar ist.
Es wird hierfür sicherlich noch andere Anwendungsbeispiele geben, dies sind jedoch die auffälligsten. Dies entspricht ungefähr dem Aktions-Rotor von iOS 7, der in Mail z. B. das schnelle Löschen von Mails ermöglicht.
Änderung beim Markieren nicht zusammenhängender Elemente 🔗
Wie oben bereits erwähnt, führt VoiceOver+Cmd+Leertaste nicht mehr die Funktion aus, mehrere nicht zusammenhängende Elemente zu markieren. Diese Funktion ist zur Tastenkombination VoiceOver+Cmd+Eingabetaste gewandert, funktioniert ansonsten aber wie üblich.
Ton bei Links und eingebetteten Zeichen abspielen 🔗
Anstatt das Wort „Link“ oder „Eingebettet“ zu sprechen, kann VoiceOver für diese beiden Typen Text jetzt Signaltöne abspielen. Dies stellt man im VoiceOver-Dienstprogramm, Kategorie Ausführlichkeit, Registerkarte Text, ein. Anstatt der Ansagen hört man bei Links jetzt einen scharfen Tick-Sound, bei eingebetteten Zeichen wie Mailanhängen einen sanften Schleifton.
Audio-Ducking 🔗
Systemtöne sowie Wiedergaben von Audio- und Videoinhalten, die nicht von VoiceOver stammen, werden in der Lautstärke jetzt standardmäßig reduziert, wenn VoiceOver spricht. Die Wiedergabe duckt sich sozusagen unter die VoiceOver-Stimme. Dieses Verhalten kann man im VoiceOver-Dienstprogramm in der Kategorie „Ton“ an- und abschalten, indem man das Kontrollkästchen namens „Audio-Ducking aktivieren“ aktiviert bzw. deaktiviert.
Unified Braille 🔗
VoiceOver unterstützt jetzt den englischen Zeichensatzstandard Unified Braille. Im Deutschen hat sich anscheinend nichts geändert.
Apps 🔗
Im Folgenden liste ich einige Apps und deren Änderungen auf, die für VoiceOver-Anwender relevant sind.
Mail 🔗
In Mail hat es diverse Verschlimmbesserungen gegeben. Am auffälligsten ist, dass man in der Standard-Ansicht bei Konversationen nicht mehr sofort angesagt bekommt, wie viele Mails sich in diesem Konversations-Thread befinden. Diese Info ist viel weiter nach hinten gewandert, ist aber eigentlich essentiell für ein effektives Arbeiten mit Mail. Ich nutze die Konversationsansicht sehr oft, weil sie mir hilft, mich auf den jeweils aktuellen Mailvorgang zu konzentrieren und nicht durch ein Durcheinander von Mails im Posteingang navigieren und ständig umdenken zu müssen. Ein Beispiel für die verschlimmbesserte Ansage: In Mountain Lion sah die Ansage so aus:
2 E-Mail-Konversation reduziert Schließdreieck, Marco Zehe, Hier kommt der Mailbetreff, 10:30, Hier kommt der Mailtext, Eingang – Postfachname
In Mavericks hat sich das wie folgt geändert:
Marco Zehe, Hier kommt der Mailbetreff, 10:30, Hier kommt der Anfang des Mailtexts, 2 E-Mail-Konversation reduziert Schließdreieck, Eingang – Postfachname
Wie zu sehen ist, ist eine doch nicht unwichtige Information von prominenter erster Stelle fast ganz ans Ende gewandert. Mich persönlich stört dies sehr, weil die Konversationsansicht eben ein so wichtiger Bestandteil meiner Arbeit mit Mails ist.
Steht der Fokus nun auf einer solchen Konversation, hat sich das Layout etwas verändert. man interagiert jetzt nicht mehr mit einer Tabelle und dann mit einzelnen Tabellenzellen, sondern alle Mails sind einzelne eingebettete Objekte, mit denen man interagiert, und dann landet man sofort auf den bekannten Mail-Headern und dem Haupttext. Diese leichte Verschlankung der Hierarchie ist gar nicht unwillkommen. man muss sich nur dran gewöhnen.
Safari 🔗
Wie bereits erwähnt, gibt es im Safari nun die Möglichkeit, mit Hilfe von VoiceOver+Cmd+Leertaste ein Aktionsmenü aufzurufen, mit dem man mit Elementen noch einige Dinge mehr anstellen kann als sie zu drücken oder deren Kontextmenü aufzurufen.
Auch die Top Sites, die neue Ansicht der meist besuchten Seiten in Safari, die man als Startseite einrichten kann, ist bedienbar.
Safari hat jedoch bei einigen Elementen bzw. Elementkombinationen eine ziemliche Geschwätzigkeit entwickelt. So werden bei bestimmten Links wie den Facebook-Likes usw. noch Infos von rund um das Element herum mit einbezogen und vorgelesen. Auch manche Listenelemente, die aus einem Link und weiterem Text bestehen, entwickeln mithin einen Hang zu sehr ausführlichen Ansagen, bei denen es schwer ist, festzustellen, was jetzt genau der Linktext und was der umstehende Text ist. Das gleiche Problem tritt bei manchen Eingabefeldern auf. Das Problem scheint sich hautsächlich dann abzuspielen, wenn diese Elemente Teil von Listenaufzählungen sind.
Diese Geschwätzigkeit wird hoffentlich bald in einem Safari-Update behoben. Bis dahin muss man viel Geduld aufbringen, denn die Möglichkeit, eine ältere Version von Safari zu installieren, die das Problem noch nicht hat, gibt es nicht.
Kalender 🔗
Der Kalender hat sich im Layout geändert. Hier sollte jeder für sich nachforschen, wie er damit zurechtkommt. Die Ansichten sind teilweise recht verschachtelt und detailliert, aber man kommt an alles heran und kann mit den Elementen interagieren. Einziger wichtiger Punkt: Termineinträge lassen sich mit keinem bekannten VoiceOver-Befehl aktivieren. Ein einfacher Druck auf die Leertaste hingegen bringt das gewünschte Ergebnis.
Mitteilungszentrale 🔗
Die Mitteilungszentrale wurde funktionsmäßig ziemlich aufgebohrt. Hier können auch von bestimmten Webseiten erzeugte Benachrichtigungen erscheinen, man kann direkt auf Mail-Benachrichtigungen antworten und eine neue iMessage, Twitter- oder Facebook-Nachricht erzeugen, wenn man diese Accounttypen konfiguriert hat. Auch hat der Mac jetzt eine iOS ähnliche Nicht-Stören-Funktion.
Was sich nicht geändert hat ist der etwas umständliche Weg in die Mitteilungszentrale: VoiceOver+M zweimal, dann mit VoiceOver+Pfeil nach rechts ganz ans Ende der Menüleiste, dann VoiceOver+Leertaste auf dem Element „Mitteilungszentrale“. Schneller kommt man ans Ziel, indem man die Systemeinstellungen öffnet, Tastatur wählt, Kurzbefehle auswählt und dann unter der Kategorie Mission Control dem Punkt „Mitteilungszentrale anzeigen“ eine Tastenkombination, z. B. Ctrl+Umschalttaste+F8, zuweist. So kann man sie jederzeit ohne den Umweg über die Menüerweiterungen öffnen.
iBooks 🔗
Eine der neuen Apps in OS X Mavericks ist das bereits von iOS bekannte iBooks. Damit kann man Bücher jetzt auch auf dem Mac lesen, die man im iBooks Store gekauft hat oder die im ePub-Format auf andere Weise, z. B. über Mails oder Webseiten, in die iBooks-App übersandt wurden und dann in der Cloud landeten.
Unter Mavericks stellt sich das Lesen von Büchern ähnlich dar wie das von Webseiten. Das heißt auch, dass es nicht wirklich eine komfortable Möglichkeit gibt, sich eine Leseposition mit VoiceOver zu merken. Es wird immer an den Anfang der Buchseite gesprungen, wenn man die Interaktion mit der Seitenanzeige startet.
Aber wenn man überhaupt soweit kommt, ist man schon gut! iBooks sieht in diesem Release aus wie eine Betaversion. Das geht schon mit der Tatsache los, dass im Hauptfenster mehrere Schalter nicht beschriftet sind. Weiterhin ist die Standardansicht von Büchern, nämlich die Rasterdarstellung, nicht zugänglich. Es wird immer nur „Bild“ gesagt. man muss die Auswahltaste für „Liste“ aktivieren, um eine Tabelle zu bekommen, in der die Bücher aufgelistet sind. Diese ist dann zugänglich.
Öffnet man mit Cmd+O ein Buch, kommt ein Fenster mit über 10 nicht beschrifteten Tasten. Einige davon haben einen Hilfe-Tag, aufrufbar mit VoiceOver+Umschalttaste+H, aber auch nicht alle. Es werden mehrere Seiten nebeneinander dargestellt, man hat für jede einen HTML-Inhalt, und alle sind in einem Rollbereich zusammengefasst.
Dass diese ganzen Tasten nicht beschriftet sind und es auch sonst einige unbeschriftete bzw. nicht zugängliche Elemente gibt, ist hoch peinlich, Apple! Aus dem eigenen Haus so eine App abzuliefern, wo noch dazu die iOS-Version von vorn herein so vorbildlich zugänglich war, ist echt beschämend!
Karten 🔗
Eine weitere neue App ist die Karten-App. Aber als VoiceOver-Anwender sollte man sich hier nicht allzu große Hoffnungen machen, viel zu erreichen. Zum einen ist sie nur sinnvoll mit der Trackpad-Steuerung überhaupt navigierbar, zum anderen ist das, was man navigieren kann, überhaupt nicht mit dem vergleichbar, was man unter iOS zu fühlen bekommt. Das einzige, was ganz gut funktioniert, ist das Schicken von Routenanweisungen an ein iOS-Gerät, wenn man z. B. aus dem Kalender heraus eine Route von einem Terminort zum nächsten erstellen lässt und diese dann navigieren möchte. Ich persönlich empfinde diese App unter Mavericks ansonsten reichlich überflüssig. Vielleicht hat ja jemand von euch mehr Glück damit. Kommentare hierzu sind herzlich willkommen!
iLife und iWork 🔗
Tja und hier kommen sie, die Killer-Apps: Pages, Numbers und Keynote, die Produktivitäts-Apps, wurden für Mavericks komplett neu geschrieben und erhalten dabei massive VoiceOver-Verbesserungen. So gehen jetzt Tabellen in Textdokumenten usw. Auch das navigieren der Oberfläche hat sich vereinfacht. Auch die iLife-Produkte iPhoto, iMovie und GarageBand wurden komplett überarbeitet und dürften noch zugänglicher geworden sein, getestet habe ich dies aber noch nicht. Tja und all das bekommt man eben nur, wenn man Mavericks einsetzt.
Weitere Bedienungshilfen 🔗
Apple hat in Mavericks beim Umfang der Bedienungshilfen in einigen Punkten mit iOS gleichgezogen. So gibt es jetzt eine Unterstützung für Untertitel in Medien. Es werden sowohl Standard-Untertitel als auch erweiterte Untertitel für Gehörlose und Hörgeschädigte (UT und CC) unterstützt.
Auch neu ist die aus iOS 7 bekannte Schaltersteuerung, die Menschen mit motorischen Einschränkungen erlaubt, das Betriebssystem mit Hilfe eines einzelnen Schalters zu bedienen.
Ob sich an der Qualität des Zooms, der Kontraste oder ähnlicher visueller Bedienungshilfen etwas verändert oder verbessert hat, mag ich mangels Sehvermögens nicht zu beurteilen. Die Einstellungen hierfür sehen jedoch aus wie in Mountain Lion.
Eine Sache, die es nicht mehr gibt, ist das Kontrollkästchen für „Bedienungshilfen-Unterstützung“. Diese ist daher vermutlich für Entwickler nicht mehr abschaltbar, sondern immer aktiv.
Fazit 🔗
Gerade die Probleme in Mail und Safari haben mich eigentlich dazu bewegen wollen, nicht gleich zum Release auf meinen Produktivsystemen Mavericks einzusetzen. Mail hat über die Probleme bei der VoiceOver-Unterstützung hinaus noch diverse Probleme mit GMail- und anderen Imap-Konten. So werden z. B. in andere Ordner verschobene Mails nur sehr verzögert auch tatsächlich auf dem Server verschoben, oder manchmal wird dieses auch ganz unterlassen, und die Mail taucht nach einigen Minuten wieder im ursprünglichen Ordner auf. Auch aktualisiert Mail sich nicht mehr im Hintergrund, sondern wird von den neuen Energiesparoptionen so komplett schlafen gelegt, dass es erst wieder die Ordner synchronisiert, wenn es in den Vordergrund geholt wird.
Auch die Probleme mit der Sprachausgabe sind sehr ärgerlich. Die Tatsache, dass keine der vier Stimmen die gängigen Apple-Produktnamen wie Finder, iTunes, iBooks usw. richtig aussprechen kann, ist schon ein echter Angriff auf mein Hörempfinden!
Und auch diese anderen Schönheitsfehler wie iBooks, das nicht Lesen von Texten mit Emoji-Anteilen, und andere Haken und Ösen hier und da sind echte Abturner. So schön die neuen Funktionen wie Tags für Dateien im Finder, mehrere Tabs in selbigem und die verlängerten Batterielaufzeiten der MacBooks unter Mavericks auch sind, können sie doch diese die Produktivität sehr behindernden Fehler nicht kaschieren.
Die Tatsache, dass Pages & Co. aber endlich benutzbar werden und somit eine vollwertige Textverarbeitung unter Mavericks zugänglich wird, ist jedoch ein gewichtiges Argument. Ich muss doch öfter mal Dinge tun, die über die Fähigkeiten von TextEdit hinaus gehen. Daher werde ich an einem Update nicht vorbei können.
Ob andere Leser aktualisieren oder nicht, sei ihnen natürlich selbst überlassen. ich hoffe, dass dieser Artikel zur individuellen Entscheidungsfindung beitragen konnte. Wenn ihr aktualisiert, wisst ihr, worauf ihr euch einlasst.
Kommentare wie immer herzlich willkommen!