Es ist soweit, die Bundestagswahl 2013 steht vor der Tür, und da ich sicherstellen will, dass meine Stimme Gehör findet, gehöre ich nicht zur Partei der Nichtwähler, sondern gehe seit meinem 18. Lebensjahr, seit der Kommunalwahl in Niedersachsen 1991, zu jeder Wahl, zu der ich darf. 😉
Bzw. seit einigen Jahren bin ich konsequenter Briefwähler. Die Gründe dafür sind nicht etwa in der fehlenden Barrierefreiheit des Wahllokales begründet, denn als Fußgänger bin ich darauf nicht unbedingt angewiesen. Vielmehr möchte ich die Wahl in Ruhe und ohne Trubel um mich herum durchführen. Ich weiß zwar in der Regel, welchem Kandidaten und welcher Partei ich meine Stimme geben möchte, aber die Atmosphäre in einem Wahllokal empfand ich immer als störend. Denn obwohl die Wahlhelfer sicher drauf achten, dass mir nicht heimlich jemand zur Wahlkabine folgt und über die Schulter linst, empfinde ich das Gefühl, das potentiell so viele Menschen in meiner Nähe sind, als nicht so angenehm bei so etwas wichtigem wie einer Wahl.
Dazu kommt, dass es erst seit ein paar Jahren Schablonen für die Wahlzettel gibt, die es mir als Blindem ermöglichen, die Wahl auch allein und unabhängig durchführen zu können. Das hieß früher immer, dass ich eine Hilfsperson brauchte, die entweder ein Wahlhelfer war oder eine Person meines Vertrauens, mit der ich zusammen zur Wahl ging. OK, die Hilfsperson brauchte ich bei der Briefwahl auch, aber da die Atmosphäre zu Hause viel intimer ist, war das nie ein Problem.
Am gestrigen Freitag, den 06.09., kamen die Wahlschablonen vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg per Post bei mir an. Neben der Bundestagswahl 2013 findet in Hamburg am 22.09. auch ein Volksentscheid zur Initiative Unser Hamburg, unser Netz statt, in dem es um die Rückführung der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze in die öffentliche Hand geht. In dem Umschlag befanden sich also zwei Schablonen, die jeweils auf die Stimmzettel für die zwei Wahlen zugeschnitten waren.
Weiterhin befanden sich in dem Umschlag zwei CDs mit Infos zu den Schablonen, Anleitungen zum Einlegen der Stimmzettel und die Aufzählung, welcher Direktkandidat in welchem Wahlkreis auf welcher Position der Wahl für die Direktstimme (links) steht. Man muss also wissen, in welchem Wahlkreis man wohnt, was ja eh immer eine gute Idee ist, wenn man politisch informiert sein will. 😉
Ich hatte bei diesen CDs jedoch das Problem, dass ich kein Hörer der Blindenhörbüchereien bin und mein Abspielgerät für sog. DAISY-CDs, also digitale Hörbücher in einem speziell strukturierten Format, eingemottet ganz tief im Schrank vergraben steht, der Akku entladen ist usw. Auf meine Anregung hin, dass diese Infos auch übers Internet zum Download zur Verfügung gestellt werden sollten, gab es die Rückmeldung, dass dies geprüft würde.
Die Schablone zum Volksentscheid ist recht einfach gehalten: Sie hat eine Beschriftung in Braille und fühlbarem Schwarzdruck, worum es sich handelt, und Beschriftungen für die Felder „ja“ und „nein“ für die Zustimmung oder Ablehnung der Vorlage der Initiative. Oben rechts befindet sich ein kleines Loch, wie es typischerweise von einem Locher erzeugt wird. Genau so eines befindet sich auch auf dem Stimmzettel zur Volksinitiative. Die Löcher sollen beim Einlegen des Stimmzettels in die Schablone genau übereinander liegen, dann sei sichergestellt, dass auch die Felder zum Ankreuzen in den ausgeschnittenen Bereich der Schablone fallen würden. Wie man auf folgendem Bild sieht, stimmt das hier auch.
In der Praxis zeigte sich jedoch nun, dass die Orientierung mit den Löchern oben rechts hier nicht so recht klappen wollte. Hätte ich den Stimmzettel genau passend zu dem Loch eingelegt, wären die Felder und Ausschnitte nicht genau übereinander zum Liegen gekommen. Weiterhin wäre im unteren Bereich das Abdriften noch größer gewesen. Meine Verlobte stellte dies fest, als ich den Stimmzettel fertig eingelegt hatte. Stellte ich hingegen sicher, dass der Stimmzettel viel mehr genau bis in die letzte Ecke der Falz und des oberen Randes geschoben war, stimmten die Felder, aber dann das Loch nicht mehr. Das folgende Foto der Rückseite der Schablone mit eingelegtem Stimmzettel zeigt den Versatz:
Hätte ich mich allein auf die Anleitung und die Löcher zur Orientierung verlassen, hätte dies dazu führen können, dass mein Wählerwille nicht mehr eindeutig erkennbar gewesen wäre, indem Kreuze nämlich zu weit neben, oder ober- bzw. unterhalb eines Feldes hätten landen können. Bei so etwas wichtigem wie der Wahl ist es daher unbedingt notwendig, dass diese Dinge auch sauber funktionieren!
Ein sehr ähnliches Problem hatte ich schon mit der Schablone zur Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft 2011. Abgesehen davon, dass die Wahlzettel an sich absolut grauenhaft waren, weil so viele Felder auf so engem Raum standen, war es mir damals nicht möglich, den Wahlzettel so in die Schablone einzuführen, dass sie wirklich exakt gepasst hätte und ich eine eindeutig erkennbare geheime Wahl hätte durchführen können.
Nachdem die Wahl an sich nun durchgeführt war (aus Gründen der Privatsphäre verzichte ich auf Bilder hiervon), ging es darum, den Umschlag-Reigen zu spielen. Jeder Stimmzettel kommt in einen eigenen Umschlag, diese kommen dann zusammen mit zwei Bögen (einem pro Wahl), auf denen man erklärt, dass man entweder die Wahl selbst oder als Hilfsperson für den eigentlichen Wahlberechtigten durchgeführt hat, in einen großen Umschlag. Der große Umschlag ist eindeutig erkennbar, die bögen und die Felder für die zu leistenden Unterschriften und die kleinen Umschläge sind hingegen nicht eindeutig zuordnbar.
Ohne sehende Hilfe ist eine Wahl also auch heute noch nicht vollständig selbstständig als Blinder durchführbar. OK, wenn ich mit der Schablone in ein Wahllokal marschiert wäre und dort meine Stimmen abgegeben hätte, würde der Umschlag-Reigen natürlich wegfallen. Aber aus den oben genannten Gründen nehme ich lieber in Kauf, hierbei Hilfe zu bekommen und die Wahl so ganz entspannt durchführen zu können.
Ich habe schon gewählt. Und ich möchte an alle meine Leser appellieren, dies auch spätestens am 22.09. in ihrem örtlichen Wahllokal zu tun!